FON 0291-56560
D-59872 Meschede
mail[at]christophmause.de
Christoph Mause zeigt Tiere in Schwierigkeiten.
Kunststück, sie bewegen sich auf riskantem
Terrain. Sie werden Akteure in einem
künstlerischen Geschehen, welches banale
Alltagsgegenstände: Hammer, Glühbirne,
Warndreieck, Bretter, Seile in unbekannte
Konstellationen versetzt. Die Tiere sind dabei die
entscheidenden Protagonisten. Sie geraten in
Konflikte mit den Dingen, die den Betrachter
schmunzeln lassen. Mauses Humor spekuliert
dabei auf eine gewisse Schadenfreude,
gleichwohl verstrickt er seine Geschöpfe nicht
in vordergründige Slapstick-Anekdoten.
Wenn das Känguru über die Holzkisten hüpft,
wird es sehr wahrscheinlich nicht die Papiertüte
bemerken, die sich in den Parcours geschlichen
hat. Wenn das Nilpferd seine sensible Position auf
den Tennisbällen verändert, wird es wohl auf die
Schnauze fallen. Die Fallen der Installationen von
Mause sind noch nicht zugeschnappt, der
Betrachter antizipiert, was kommen mag, es ist
seine eigene Phantasie, die aus dem ruhenden
Bild ein dramatisches Geschehen werden lässt.
Die ungewohnten Begegnungen von Tier und Ding zünden jenen „poetischen Funken“, den im 19. Jh. der französische Dichter
Lautréamont durch die zufällige Begegnung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf einem Operationstisch ausgelöst
sah. Dieses Bild wurde zu einer Inspiration für den Surrealismus. Während dieser durch absurde Verbindungen und
Verfremdungen von Dingen in eine Welt der Halluzination und des Traumes hineinführen wollte, mit dem Ziel der Entgrenzung
unseres beschränkten Verständnisses von Realität, haben Mauses Erzählungen von Tier und Ding nichts mit Entführungen in
traumatische Regionen zu tun. Im Gegenteil vollführen die Tiere unfreiwillig, aber vom Künstler gewollt, deiktische Akte. Dies
sind der griechischen Tradition nach hinweisende, die Augen öffnende Gesten. Die missliche oder riskante Lage, in die sich die
mit Modelliermasse und Farbschichten gestalteten Tierfiguren begeben, zeigt jederzeit etwas auf, was mit den plastischen
Qualitäten der jeweiligen Dinge zu tun hat. Dabei lassen sich zwei Gegenstandsbezüge unterscheiden. Zum einen sind es
Alltagsgegenstände, die auftreten, zum anderen elementare geometrische Formen in Gestalt von gelegentlich farbigen Hölzern,
die Flächen oder Kuben bilden, oder von Seilen, Drähten oder Stangen, die Linien in den Raum zeichnen. Christoph Mause
entwickelt auf diese Weise Bezüge zu zwei unterschiedlichen Erscheinungsformen der modernen Plastik: der Objektkunst sowie
der Minimal Art, welche plastische Kräfte in einfachen geometrischen Konstruktionen anschaulich macht.
In jedem Fall wird der Blick des Betrachters nach dem ersten Erfassen der
Geschichte, die sich vor seinen Augen abspielt, auf subtilere Bereiche der
Konstellation gelenkt. Die Begegnungen von Tieren und Dingen in Mauses Arbeiten
thematisieren genuine Aspekte der Plastik: Dynamik und Spannung, Volumen und
Proportion, Oberfläche und Material, Form und Bedeutung. Sie offenbaren
Eigenschaften von Gegenständen, die wir an diesen gewöhnlich übersehen: der
Besen als räumliches Objekt, bestehend aus einer Fläche und Linien
unterschiedlicher Qualität und Anordnung. Dieses Objekt offenbart Ähnlichkeiten zu
einem Vogel mit langem Schnabel, der davor hockt und selbst plötzlich, in seinem
Verhältnis von Schnabel und Gefieder, etwas von einem Mob bekommt. Die Gestalt
des Vogels sagt etwas über die Gestalt des
Besens, diese wiederum etwas über diejenige
des Vogels. Die vier Maulwürfe wiederum, die
vier im Quadrat zueinander angeordnete, nach
hinten kippende Bretter erklimmen und dabei
das prekäre Gleichgewicht der abenteuerlichen
Konstruktion durch ein gespanntes Seil in ihren
Pfoten halten, verweisen auf die Druck- und
Zugkräfte, die die Spannung der Plastik im Raum ausmachen. Andererseits verweist
dieses riskante Gebilde aus Flächen und Linien wiederum auf die Maulwürfe, auf ihr für
ihre üblicherweise unterirdischen Verhältnisse geradezu widernatürliches Verhalten, das
überdies den Betrachter rätseln lässt, wie sie denn dieses Kletterkunststück gegen die
Gesetze der Schwerkraft überhaupt hinbekommen haben.
In ihrer Begegnung werden die Tiere und die Dinge fremd. Aber erst in der Verfremdung
offenbaren sie übersehene Eigenschaften. Die Abenteuer, in die Christoph Mause Tiere
und Gegenstände schickt, sind auf diese Weise zugleich Lektionen, die von verborgenen
ästhetischen Qualitäten unserer Alltagswelt berichten.
(Ausstellungsraum der Abtei Königsmünster, Meschede, 1. Oktober 2006 - 26. November 2006, Katalogtext
aus: Christoph Mause: Tiergeflüster. Objekte, Malerei, Zeichnungen. Ausstellungsraum der Abtei
Königsmünster, Meschede. Druck: C-Design, Belecke, 2006)
400 Kugeln, 1992
Mausefallen, 1992
Känguru, 1992
Vier Maulwürfe, 1993
Hammer, 2006
Fünf Besen, 2006